Nachdenklichkeiten - Leseprobe - Schuld und Sühne
Wir Deutschen sollten uns aufgrund unserer Geschichte nicht als Retter der Welt sehen. Das funktioniert nicht. Das geht nur wieder nach hinten los.
Es ist in den Geschichtsbüchern festgehalten, und Generation um Generation wird stets daran erinnert. Erinnern ist ja okay. Nicht jedoch, dass die Generationen, die danach folgen, immer wieder mit dieser Schuld in Verbindung gebracht werden. Schuld ist nicht vererbbar. Die Nachfahren der einstigen Opfer haben nicht das Recht, die Nachfahren der Täter und Mitläufer für das Geschehene verantwortlich zu machen.
Selbst erlebt:
Im Sommer 1986 hielten mein damaliger Freund und ich uns auf dem griechischen Festland auf. Auf der Höhe von Euboä war das, Kenourgio hieß der Ort. Wir hatten uns gestritten, und ich lief wütend am Strand entlang. Langsam verebbte meine Wut beim Laufen. Etwas abseits des Strandes saßen mehrere Männer, grillten. Meine Blicke huschten zu ihnen hinüber und wieder zum Meer. Auch wenn weit und breit niemand außer dieser Männergruppe und mir war, hatte ich keine Angst. Einer stand auf und kam zu mir, lud mich ein, mich zu ihnen zu setzen, was ich auch tat. Sie sprachen Deutsch, waren jedoch nicht deutsche Abstammung.
Man fragte mich, woher ich komme. Ich antwortete, aus Berlin. Oh, Deutschland, hieß es dann. Eine kleine Pause entstand, und ich fragte, ob sie Deutschland kennen. Ja, meinte einer nach einer Weile, und dann folgte dieser Satz, den ich nie vergaß: Wir sind dir nicht böse.
Wie nicht böse, wie meinen Sie das, ich habe sie zuvor noch nie gesehen. Der, der mich angesprochen hatte, begann seinen rechten Hemdsärmel aufzurollen, alle schwiegen. Anschließend drehte er seinen Unterarm so, dass ich diesen sehen konnte, mit einer langen Nummer drauf. Ich schluckte, starrte auf diese nicht gerade kleine Nummer, etwa zehn Jahre danach hatte ich sie noch aufsagen können, mittlerweile ist sie aus dem Gedächtnis weg. Die Augen einen Moment geschlossen, atmete ich tief ein und aus.
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Christa Helling
Nachdenklichkeiten .... Reflexionen, Wahrnehmungen, Irritationen
Taschenbuch - 300 Seiten
ISBN : 978-3-757557-03-4
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