Von der verlorenen Wette bis hin zum Bett?-Geflüster - Leseprobe 3 - aus Mittendrin

Ich lasse meine Protagonisten – Geschichte über eine  Zeitreise  – nur durch das Schließen der Augen – zu  erleben.

Leandrah meinte: „Schlafen? Können wir zu Hause, hier lassen wir uns lieber wieder etwas erzählen. Die Geschichte, die das Bett erzählt hat …“
Dann sinnierte sie weiter: „Claudio könnte fast ein Nachfahre des Pärchens sein, mit seiner eigenwilligen Haarfarbe.“

„Was für Geschichten?“, wurde Luigi neugierig.
„Bettgeschichten“, sagte Bastian. „Und das ist wörtlich zu nehmen.“
„Geschichten von einer rothaarigen irischen Frau und …“, begann Leandrah.
„… einem reichen bisexuellen Römer?“, fragte Luigi.
„Wie?“ Jetzt war Bastian überrascht. „Das ist wahr?“
„Ja“, sagte Luigi. „Die Frau hat die Geschäfte übernommen, sie hatte ein richtiges Händchen dafür und er hat sich dann dem Weingut verschrieben.“
„Gibt es die Familie noch?“, fragte Leandrah gespannt wie ein Flitzebogen.
„Ja, obwohl das rote Haar fast verschwunden ist, es hat sich von Generation zu Generation mit dem dunklen Haar der Römer vermischt aber dabei so ein Kastanienrot hervorgebracht, so als wollte sich die schöne temperamentvolle Irin nicht so einfach vergessen lassen.
Ihr habt im übrigen so einen geschäftstüchtigen Vertreter dieser Familie bereits kennengelernt.“
„Siehst du, ich hatte recht“, trumpfte Leandrah auf. „Ist es Claudio?“
„Ja, wie bist du denn darauf gekommen?“, fragte Luigi neugierig nach. „Seine sehr eigenwillige Haarfarbe, ich wollte ihn heute Abend eigentlich fragen ob sie echt ist.“
„Sie ist es“, bestätigte Luigi.

„Und was für Geschichten habt ihr noch so gehört? Mir scheint, ihr seid im Zimmer der Geschichten untergekommen.“
„Zimmer der Geschichten?“, fragten beide unisono nach.
„Ja“, sagte Luigi. „Vor ein paar Jahren hatte ein Kollege von mir Leute gefahren, die auch Geschichten erzählten, die das Bett und die Matratze flüsterten. Wir haben uns alle an den Kopf gefasst und die Leute nicht für ganz dicht gehalten. Aber andererseits fragten wir uns: Woher hatten sie diese Geschichten? Es ging an die Presse und dann hatte sich ein Mann gemeldet, der ein Nachfahre jener Leute war, über die das Bett oder die Matratze erzählt haben. Anhand von Tagebuchaufzeichnungen, die aber bis dato unter Verschluss waren, wurde die Geschichte bestätigt. Ein in Italien sehr bekanntes Medium hat dann, nachdem sie eine Nacht in dem Zimmer verbracht hatte, verlauten lassen, dass nur Menschen die eine gewisse Sensibilität mitbringen und offen sind für Zwischentöne, die sich in den Sphären von Himmel und Erde befinden, nur solche Menschen sind in der Lage das Flüstern zu verstehen.

Wenn ihr beide es hören könnt, dann nehmt die Geschichten die sie euch flüstern, als Geschenk mit.
Was habt ihr denn noch gehört?“
„Von einem Mann der seine Eltern auf die Brust tätowiert hatte“, erzählte Bastian.
„Das muss vor etwa zwei Jahren gewesen sein“, überlegte Luigi. „Ich kenn den Tätowierer, der die blonde Schwedin darüber gestochen hat, wir können ja heute Abend beim Bummel da vorbei bummeln.“

„So ihr seid jetzt am Circus Maximus. Viel Spaß bei eurem Weg und meldet euch, wenn ich euch wieder abholen soll.“
Leandrah und Bastian stiegen aus. Bastian begann zu erklären: „Dies war mal ein beliebter Treffpunkt um, wie heißt es doch so schön, Techtelmechtel zu beginnen. Hier im Circus musst du dir vorstellen, war die erste Rennbahn der Welt. Stell dir mal vor, Männer wie Michael Schuhmacher und Sebastian Vettel, die hier das Volk begeisterten vor allen in der Ludi Romani, der wichtigsten Rennserie die vom vierten bis achtzehnten September dauerte. Wenn du die Augen schließt, hörst du noch die Zurufe, die die Rennfahrer der damaligen Zeit anfeuerte.“
Beide standen mit geschlossenem Augen im Circus. Hörten das Getrappel der Pferde, das aneinander stoßende Geräusch der Wagenräder wenn sie sich zu nahe kamen, das Scheppern der Rüstung und sprangen beide mit einen mal zur Seite, so als wenn sie sich in Sicherheit vor den heran preschenden Wagen bringen wollten. Sie sahen den Staub der Arena aufwirbeln, das aufspringende Publikum.
Wie betäubt öffneten sie wenig später ihre Augen, sahen in den Augen des anderen dass er dasselbe wahrgenommen, dasselbe gesehen hatte. Eine Zeitreise in die Vergangenheit, hier an diesen geschichtsträchtigen Platz, in ihrer altrömischen Bekleidung. Stumm und ergriffen gingen sie weiter, setzten sich auf die alten Ränge, schlossen noch einmal die Augen um von hier wie einst das Rennen weiter zu verfolgen und es funktionierte.
Wieder wurden sie ins Geschehen hinein katapultiert. Sahen wie die Wagen sich gegenseitig versuchten aus der Bahn zu drängen. Da, ein Rad brach ab, der Wagen wurde noch im schnellen Gefüge ein wenig weiter geschleift, kam dann zum Erliegen. Die nächsten preschten heran, gnadenlos wurden die Pferde angetrieben, schneller, schneller, das Publikum sprang hoch, sie taten es unwillkürlich auch, von der Menge mitgerissen. Leandrah hatte jetzt das Gefühl einer der Wagenlenker fixiere sie mit seinem Blicken, so als wollte er ihr signalisieren: Du bist mein Preis wenn ich hier gesiegt habe.
Jetzt drängte Bastian. „Komm gehen wir weiter. Ich möchte dich nicht …“, sagte er dann leise, die Augen wieder öffnend. „… als Preis für diesen Römer sehen.“
„Angst um mich?“, neckte sie ihn, die Augen wieder offen. „Es war schon sehr realistisch.“
„Ja, das war es“, bestätigte er. „Wenn ich mir aber vorstelle, dass um diese Zeit in Rom Frauen knapp waren und man sie sogar raubte, man denke an den Raub der Sabinerinnen, dann möchte ich jetzt lieber die Augen offen halten, damit du …“ Er nahm sie in seine Arme. „… mir nicht abhanden kommst.“
Hand in Hand wandelten sie vom Circus Maximus, wieder auf die Via Appia zurück.
„Wer hätte das gedacht“, sinnierte er wieder. „Dass Geschichte atmen so realistisch vonstatten gehen kann.“
„Vielleicht sind wir, wie Luigi meinte, sensibilisiert, so dass wir das, was zwischen Vergangenheit und Heute liegt, erfassen können. Das wir auf diesem Wege eine innere Zeitreise erleben können, die uns die Geschichte auf jeden Fall näher bringt.“ © alle Rechte vorbehalten 2012/2013

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Christa Helling

Vorwort

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