Seele entrümpeln - Leseprobe - Bundesjugendspiele

Bundesjugendspiele … wie habe ich die gehasst. Das einzige was ich so leidlich dabei schaffte, war werfen. Das hatte ich immer mit den kleinen harten Birnen geübt. Alles andere war uninteressant für mich. Laufen … dank Birgit war ich die Vorletzte. Weitsprung … vergessen wir es. Schwimmen … oh, da hatte mich, als das los ging mal jemand ins Becken geschubst, ich kam unglücklich unter die Rutsche und jemand auf meinen Kopf … ein bisschen viel Wasser geschluckt, seitdem habe ich Schwimmen gemieden. Ich gehe bis heute nur so weit ins Wasser, wie ich festen Boden unter den Füßen habe. Klar war: Du schaffst das nicht. Bodenturnen, Reck, Barren, Bock, Rad schlagen … habe ich auch alles nicht geschafft.

Seilspringen und Federball waren leider keine Disziplinen, da war ich nämlich gut. Meine Schwester machte dann den Treckerführerschein. Sofort bestanden. Ich wollte ihn gar nicht, weil ich ahnte, dann würde ich mehr eingespannt werden und wehe, wehe es passierte das, als ich es mal auf dem Kartoffelacker probieren sollte und ich dann einen vollen Sack rammte … „Du schaffst das nicht, habe ich doch gleich gesagt“. Also warum sollte ich mir die Mühe machen es überhaupt zu versuchen? Meine Schwester holte auch ein paar Bundesjugendspiele- Urkunden und sie kann schwimmen.

Ich holte meinen Führerschein mit dreiundzwanzig nach. Ich wollte damals in den Außendienst der Firma, wenigstens mal so zwei Tage in der Woche. Was hörte ich? „Du schaffst das sowieso nicht“. Ich hatte tatsächlich null Fahrpraxis, außer diese missglückten Fahrt auf dem Kartoffelfeld. Die erste Fahrstunde war dann auch ein Alptraum. Der Angestellte des Fahrlehrers, der wohl schon so manche Fahrschülerin flachgelegt hatte, meinte: „Schön in der Mitte.“ Machte ich, war falsch. Dann: „Mehr an den Straßenrand … “ Ja, aber da war ein Bach, da wollte ich nicht rein.

Also kurzum, ich mag gar nicht daran denken, was ich für Schlangenlinien gefahren bin, weil ich alles falsch machte. Der Fahrlehrer nahm gegenüber denen, die in Göttingen Fahrstunden anboten richtig viel Geld: 30,00 DM die Stunde – in Göttingen eine Kollegin 19,00 DM. Meine Grundgebühr betrug 200,00 DM, ihre 100,00 DM. Aber die Fahrschule aus dem Nachbardorf hatte einen guten Namen, und so machte ich das ebenfalls dort.

Natürlich waren er und mein Vater auch Bekannte, wie das auf dem Dorf so ist. Die nächste Fahrstunde hatte ich dann bei ihm persönlich. Mein Vater kam über den Hof, als ich nach der ersten Fahrt mit ihm aus den Wagen stieg, und fragte dann, ob ich es denn wohl auch packen würde.

„Bei mir hat jeder bisher seinen Führerschein hinbekommen.“ Es wäre jetzt meine zweite Fahrstunde und ich hätte ja wohl auch bisher keinerlei Fahrpraxis gehabt, man werde sehen. Die meisten Fahrstunden hatte ich in Hann. Münden. Als Fußgänger ein hübsches Städtchen, als Autofahrer gemein.

Ein zusätzliches Drama kam noch hinzu: Ich stieg in High Heels ein. Dieser Blick …

„Wir fahren erst mal nach Göttingen und dann kaufst du dir ein paar vernünftige Schuhe. So darfst du nicht fahren.“ Also trabte ich in den nächsten Schuhladen und holte mir ein Paar neue Schuhe, allerdings wieder mit acht Zentimeter Absatz, ich liebte High Heels, und Stilettos. Fassungslos schaute er mich an.

„Nein“, sagte er, „ich gehe jetzt mal mit rein und zeige dir, was ich für vernünftiges Schuhwerk halte.“ Jetzt war ich fassungslos: Ballerina!

„So was Flaches? Damit kann ich nicht laufen“, erklärte ich ihm.

„Anders kommst du nicht auf die Fahrerseite!“ Mir bleib nichts anderes übrig, als mich mit ihnen anzufreunden. Wurde teuer, denn ich schaute nie nach, was Schuhe kosten, die ich mir aussuche, ist bis heute so. Sie müssen gut verarbeitet sein und mir gefallen. Die Überraschung kommt dann immer an der Kasse. Dann schlucke ich meistens ein bis zweimal und beiße in den sauren Apfel.

Die Automodelle, die zum Fahren bei ihm zur Verfügung standen, waren BMW, Golf und Polo. Schaltung mit diesen drei Teilen da unten, bei meinen Füßen … nicht mein Ding. Als er mit der Automatik ankam, wurde es angenehmer. Zweimal setzte ich die schriftliche Prüfung in den Sand.

Sieben Fehler waren ja nur noch möglich. Beide Male bin ich danach von Hann. Münden wo die Prüfung stattfand, auf meinen High Heels die siebzehn Kilometer nach Hause gelaufen. Der Bus fuhr ja nicht zu der Zeit als die Prüfung zu Ende war. Und zu Hause anrufen, das man mich abholte, wollte ich auch nicht. Das hätte dann wieder Schritttempo bedeutet und über siebzehn Kilometer die Litanei, was ich alles nicht zuwege bekomme.

Es ist eine schöne Wanderung gewesen. Das erste Mal bin ich den direkten Weg gegangen, das zweite Mal den Umweg nach Veckerhagen, dort mit der Fähre nach Hemeln übergesetzt, Onkel und Tante einen Besuch abgestattet und dann von dort wieder nach Varlosen.

Mein Vater schäumte. Er hat es ja gleich gesagt, ich schaffe es nicht. Wann würde ich das endlich mal lernen, und so weiter und so weiter.

„Warum läufst du?, Du hättest anrufen können.“ Hätte ich, wollte ich aber nicht ich wollte den Spaziergang genießen. Keiner in der Familie verstand, warum ich so gern zu Fuß lief, vor allem diese Strecken, man schüttelte nur den Kopf.

Laut meiner Mutter hatte ich das schon als Kleinkind so gemacht, ich wollte laufen. Meine Schwester hingegen hat sich tragen lassen.

Na ja, auf den Schreck hin habe ich erst einmal Urlaub gemacht, danach der Fahrlehrer. Solange bis nicht klar war, ob ich die schriftliche Prüfung bestehe, nahm ich keine Fahrstunden.

Tja und dann stand der Fahrlehrer eines Abends da und erklärte mir, dass morgen der letzte Versuch in Göttingen zur schriftlichen Prüfung sei. Diese habe ich auf Anhieb bestanden. Ich hatte einfach nicht so viel Zeit um nervös zu werden.

Die Fahrstunden habe ich dann wieder aufgenommen und tatsächlich habe ich die praktische Prüfung auf Anhieb geschafft. Damit hatte ich selbst nicht gerechnet. Ich musste an einer Stelle einbiegen, die den Tag zuvor noch frei befahrbar war, an diesem Tag war da eine Baustelle, ich bog als nicht wie angegeben nach rechts ab, weil es nicht ging, sondern nach links. Wartete dann regelrecht darauf, dass ich an den Rand fahren müsste, um zu hören dass es das war. Nix, alles in Ordnung, nur ich war danach wahnsinnig nervös, weil ich ja nicht nach Angabe gefahren bin. Rückwärts einparken und das dort, wo es so steil nach unten zur Werra ging, Panik … Ich habe es geschafft, nicht darunter zu stürzen. Ich habe meinen Führerschein bestanden. Allen zum Trotz.

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Christa Helling

Vorwort

LESEPROBEN

Seele entrümeln- Seelnmüll entsorgen

Der rote Faden 

Nachwort und Rückentext