DER SCHLÜSSEL - Leseprobe 4 - aus Mittendrin ... Malon' s Gefühl

 

Malon' s Gefühl

Malon schloss die Augen.

„Ich weiß nicht, ob es funktioniert“, erklärte sie. „Ich habe nur beim Lesen des Tagebuchs gemerkt, dass ich Helenas Aktionen bis hierher verstehen kann. Ihre Rachegelüste inbegriffen. Iris ist die äußere Hülle von Helena, ich jedoch habe auf Grund meiner akribischen Arbeit viel gemeinsam mit ihren Gedankengängen. Lasst es uns versuchen… ich bin kein Medium, besitze diese Fähigkeit absolut nicht, trotzdem hatte ich schon bei den ersten Tagebucheintragungen das Gefühl gehabt, ihr näher zu sein.“

Ben nickte. „Das würde ich an sich auch sagen. Allein die Entscheidung, dass du ihre Tagebücher lesen wolltest, dass Iris sie dir gebracht hat. Sie dich, wenn ich die Aufzeichnung gestern richtig interpretiert habe, sie dich vor allem auserkoren hat, ihren Werdegang zu rekonstruieren. Bei dir laufen alle Fäden zusammen, du hast die Rosenthals dazu geholt, Anja und Conny tragen dir zu und Iris ist hier bei dir untergebracht zu deren Schutz. Ja, du bist für Helena quasi in der gleichen Position wie sie sich gesehen hat. Es könnte daher klappen.“

Erik starrte Ben an.. „Du meinst …?“

„Ja“, bestätigte Ben. „Helena war nicht nur schön, sie war auch klug, nur sie hatte keine Chance ihre Fähigkeiten zu zeigen, weil ihre Mutter diese Fähigkeiten nur Isabella zuschrieb.“

„Seid ihr soweit?“, fragte Malon jetzt. Nachdem sie alle drei sich angefasst hatten nickten die beiden. „Helena ich weiß, dass du da bist, durch die Tagebücher besteht ein Band zwischen uns.“

„Du bist klug Malon“, ertönte die Stimme. „Und du hast es erfasst, ich bin hier, bei Frau Buske in der Wohnung, die jetzt von dir bewohnt wird. Auch dir Ben, meine Gratulation, du hast es erfasst.“

„Iris ist mein Medium, Malon hat jedoch die Fähigkeit in meinen Gedankengängen Fuß zu fassen. Schade, dass ich euch erst jetzt kennenlerne, ihr wäret gute Freunde gewesen, die ich so nicht hatte. Wer weiß, was dann alles anders gekommen wäre? Bemerkenswert Erik, dass du Malon, deine Freundin mit deinem Freund gestern Nacht teiltest, weil er sie brauchte. Nicht dich, nicht die anderen Freunde, sondern deine Freundin. Was ist dir unklar Malon, dass du diese besondere Sitzung einberufen hast?“

„Du hattest doch Claudius, warum wolltest du Alexander?“, fragte Malon jetzt direkt.

„Er gehörte meiner Schwester …“, erklang die Stimme.

„Erzähl mir nichts“, fuhr Malon sie an. „Nenn mir deine wahren Beweggründe.“

„Du lässt wohl nicht locker“, meinte Helena da. „Also gut.“ Ein Seufzer entrann ihr. „Er war ein interessanter Mann, ein weitgereister Mann, Mutter vergötterte ihn, alle meine Freundinnen schwärmten von ihm und er sieht Isabella und sieht nichts anderes mehr. Er konnte sich gegen Mutter durchsetzen. Claudius war auf Grund seines Ansehens von Anfang an gern gesehen, jedenfalls bis zu dem Bild der Venus, danach war es etwas kühler, auch für ihn geworden. Anderseits kam man um einen Mann wie ihn, gesellschaftlich nicht herum, somit wurde er in Gnaden wieder aufgenommen. Er konnte schmeicheln, das brauchte Alexander nicht. Es hieß immer nur Alexander hier, Alexander da, aber er machte sich nichts aus dem, er wollte nur Isabella, nur sie. Mutters Getue um ihn herum verbat er sich. Das gefiel mir, ein Mann der Mutter Paroli bot. Dann jedoch heirateten sie … und Leandrah kam. Das machte es schwieriger ihn zu bekommen. Claudius Frau hingegen war so gut wie nie anwesend, der Sohn wuchs bei seinen Großeltern auf, er war also da, wir trafen uns, liebten uns … Ein Stachel verblieb jedoch, jener, dass er nicht auf mich gewartet hat. Eine andere hatte mir den Mann genommen den ich so geliebt habe.“

Malon unterbrach sie: „Sie hat es aber nicht gewusst, dass du und Claudius …“

„Nein, das hat sie nicht, wir mussten ja heimlich, ich war noch nicht volljährig“, gab Helena zu.

„Das rechtfertigt aber nach wie vor nicht, dass du den Mann deiner Schwester wolltest …“, warf Malon ein. „Hast du ihn denn geliebt? Na komm Helena, wolltest du deine Schwester nicht einfach nur treffen, so wie Claudius dich getroffen hat, oder hast du ihn geliebt? Das kann jedoch nicht sein, denn wenn ich richtig gelesen habe, war trotz des Schmerzes, Claudius der einzige den du je geliebt hast. Alexander passte nur gut in deine Rachepläne hinein, einen Rundumschlag zu machen. Deine Schwester, die nichts dafür konnte das Nesthäkchen zu sein. Deine Mutter die dich immer nur beschnitt, Claudius weil er dich verraten hat, sowie seine Frau, die nichts dafür konnte, dass er sie geheiratet hatte und er diesen Schritt recht schnell bereute. Seinen Sohn, den du in dieses Spiel mit einbautest. Warum Helena? Antworte mir jetzt, hast du Alexander geliebt?“

„Du hast es gut aufgezählt“, sagte Helena nach einer Weile. „Ich habe immer nur Claudius geliebt. Alexander …“ Sie hielt einen Moment inne. „… war, ja, war Mittel zum Zweck.“

Ben und Erik schluckten.

„Unseren gemeinsamen Sohn habe ich geliebt und auch dessen Sohn, meinen Enkel Sascha. Ich habe erst in der Nacht der Geburt von Simon begriffen, was Liebe bedeutet, Liebe die einem von der ersten Minute entgegen schlägt, die keine Fragen stellt und keine Antworten erwartet.“

„Warum hast du deinen Sohn Simon genannt?“, wollte Malon wissen.

„Weil es der Name war, den Claudius und ich schön fanden, als wir uns liebten und uns fragten was tun wir, wenn ich schwanger werde. Wir flüsterten uns die Namen gleichzeitig gegenseitig ins Ohr. Es war Simon bei uns beiden.“

„Was Helena …“, wechselte Malon das Thema. „Was hat dich schon früh dazu veranlasst, einzutauchen in diese grausame Zeit? Du hast ihn als Spinner, als Fantasten abgetan, warum hast du trotzdem mitgemischt, das ist nicht nachvollziehbar.“

Sie lachte. „Woher willst du wissen, dass ich schon früh …?“

„Nun Helena, das liegt auf der Hand, du hast das Buch gelesen und deine Schlüsse daraus gezogen. Du hast es für Fantasien gehalten und doch mehr gesehen, da du dich in Welten bewegtest, die man die sogenannte Halbwelt nannte. Du hast dich dort vermutlich seit langen bewegt, Künstler jeglicher Coleur und die, die es gerne wären, eingeführt von Claudius, du warst keine Fremde. Du hast viel aufgeschnappt, aber du warst nur an der Seite von Claudius als Helena von Lohen dort. An anderen Tagen warst du als Cornelia dort und wir beide wissen ja, dass das die Gehörnte heißt.“

„Woher weißt du das?“, fragte Helena jetzt. „Das habe ich nie aufgeschrieben.“

Ben und Erik schauten jetzt ebenfalls überrascht. Malon erwiderte: „Stimmt, das hast du nie aufgeschrieben, ich habe jedoch ein Bild gefunden, das dich als solche zeigt. Du hast stets eine Maske getragen, außer, wenn du mit Claudius unterwegs in dieser Welt warst. Hier hast du viel Informationen abgefischt. Und mit diesen hast du dann deine Position ausgebaut, in diesem Fall die Souffleuse, die Zuflüsterin des Theaterstückes, das du inszeniertest. Du hast die Rollenverteilung übernommen und dir die Rolle der Waage verpasst.“

Sie sah Eriks überraschten Blick.

„Die Waage, die mal mehr Gewicht auf der einen und ein andermal auf der anderen Seite trug“, fuhr Malon fort. „Du selbst hieltest diese scheinbar in der Hand.“

„Scheinbar.“ Sie fuhr wütend auf. „Ich habe sie in der der Hand gehalten.“

„Nein“, widersprach Malon. „Da waren andere Kräfte am Werk, du musstest ab einem gewissen Punkt dich auch beugen und es war letztendlich nicht mehr so leicht, Alexander nur in Haft zu behalten ohne ein Gerichtsverfahren. Deswegen hast du so gedrängt, dass Isabella und Leandrah gefunden wurden. Du konntest es  nicht riskieren auch ein solches abzuhalten, ihn scheinbar zu bestrafen, denn für das wofür du ihn inhaftiert hattest, war der Tod vorgesehen. Wenn du also sein Schicksal mit dem deinen verknüpfen wolltest …dann musstest du handeln. Widersprich mir, wenn es falsch ist …“

„So weit warst du noch nicht am Lesen“, klagte Helena jetzt. „Woher weißt du diese Dinge?“

„Spekulationen aus dem bisher gehörten, gelesenen“, meinte Malon lapidar.

„Ja, es stimmt“, gab Helena zu. „Irgendwann kam der Zeitpunkt, dass ich schnellstens handeln musste, wer hätte denn auch gedacht, dass meine Schwester so zäh war und dass sie die Route änderte? Das hat es schwieriger gemacht. Da nützte es auch kaum etwas, dass ich in den Nachrichten die Flucht von ihr verbreiten ließ und die Ergreifung mit einer Summe belohnen wollte.“

„Du warst diesem neuem Staat gegenüber kritisch, du hast nach 1936 gesehen wie alles ins Rollen kam, was du gelesen hattest. Du hattest dir zu jenem Zeitpunkt dennoch schon eine Rolle ausgesucht, die du konsequent nach außen hin spieltest …“

Jetzt schaute Ben überrascht hoch und Malon an. Erik verstand plötzlich und auch bei Ben dämmerte es, je länger er Malon ansah.

„Es reicht für jetzt“, meinte Malon da. „Wir sprechen uns wieder. Ben muss Simon abholen um ihn zu Iris, beziehungsweise seinem Mutterhaus zu bringen, Iris muss zum Sender.“

Die beiden Männer schauten Malon an. „Hast du das alles gewusst oder …?“

„Inszeniert“, sagte sie. „Manchmal braucht man einfach nur ein paar Worte, Fragmente und versucht dann anzubauen … sie hat in diesem Fall darauf reagiert und die Lücken geschlossen.“

„Hast du das Bild …“, fragte Erik. „… tatsächlich?“

„Aus den Bildern die Conny letztens vorbeibrachte habe ich es rausgefischt, wartet, ich zeige es euch. Man nannte sie die Geheimnisvolle Cornelia und seht selbst, so wie ihre Maske aussieht, kann man den Ursprung des Namens Cornelia also die Gehörnte nachvollziehen. Das sie es war, war ein Schuss ins Blaue meinerseits.“

„Glaubst du ihr, wenn sie sagt, dass sie Alexander nicht geliebt hat?“, fragte Ben.

„Ja“, entgegnete Malon. „Sie hat nur Claudius geliebt, Alexander war wirklich nur Mittel zum Zweck.“

„Sie hat aber hinterher nur gut über ihn gegenüber von Simon gesprochen“, warf Ben ein.

„Du bist der Psychologe“, erklärte sie. „Was sollte sie ihrem Sohn denn sagen? Ich habe deinen Vater und seine Familie auf dem Gewissen, weil ich einst um mein Glück betrogen wurde? Das ging nicht. Sie hat es ja auch erlebt, das Glück der kleinen Familie, wie er sich um Frau und Tochter kümmerte, aus dem konnte sie ihm die Illusion aufbauen.“

„Ganz schon infam“, rutschte es Erik heraus.

„Waidwund würde ich es heute bezeichnen“, erwiderte Malon nachdenklich.

Ben nickte. „Es triff beides zu.“

Die beiden betrachteten das Bild, eine Frau die schillernd dank dieser Maske wirkte, geheimnisvoll, weich sich an jemanden räkelte, die Augen jedoch dabei eindeutig wachsam durch den Raum streifen ließ.

„Du musst los“, sagte sie zu Erik, küsste diesen zärtlich, als er die Wohnung verließ. Dann wandte sie sich an Ben. „Du siehst entspannt aus.“

„Bin ich auch“, erwiderte er. „Wir müssen …“, fuhr er dann fort. „… aber Simon nicht sagen, dass seine Mutter…“ ©

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Christa Helling

Vorwort

LESEPROBEN:

Iris trifft auf die Rosenthals

aus Mittendrin 2

Malons Eingebung

Helenas augeklügelte Rache

Rückentext