DEZEMBER - Leseproben .... Das erste Weihnachtsgeld

Das erste Weihnachtsgeld

Mit siebzehn hatte ich meine Ausbildung lt Lehrvertrag als Polster- und Dekorationsnäherin beendet und bekam von meiner damaligen Chefin das Aus der Lehrzeit damit verkündet. Nun begann die Suche nach einem neuem Job. Das war nicht leicht für mich, denn ich hatte nun zwar einen Gesellenbrief in der Hand, konnte an sich damit nicht viel anfangen denn in der Kleinstadt in der ich lernte hatte ich in meinen zwei Ausbildungsjahren etwas machen müssen, mit dem ich seit jener Zeit auf Kriegsfuß stehe.

Putzen.

Das was nämlich im Gesellenbrief stand hatte ich in meiner zweijährigen Ausbildungszeit so gut wie nie gemacht. Ich habe jeden Tag den Laden sauber machen müssen, die Vitrinen und Tresen. Die Fläche unter der Schaufensterfront und die war nicht klein. Anschließend die Wohnung der Chefin ganz oben. Freitags nach der Berufschule noch das große Möbellager, nicht nur die Böden, auch die Möbel vom Staub befreien die Schränke noch zusätzlich mit Möbelpolitur abreiben. Samstag kamen dann die Lederwaren dran und die ganzen Geschenkartikel, bis heute mag ich daher auch keine Messing-, Zinn- und Zinkartikel.

Trotzdem habe ich die Prüfung bestanden im März. Sogar gut. Dass das eben wie gesagt das Ende dort war, hatte ich noch nicht gleich realisiert. Lehrjahre sind keine Herrenjahre, mit dem Spruch kam mein Vater wenn ich versuchte etwas von dem was mir dort missfiel zu Haus zu erzählen. Nun traute ich mich jedoch nicht nach Hause. Irgendwann musste ich dann aber doch, erzählte unter Tränen was dort gelaufen war und mein Vater schnurstracks dahin und hat dort, wie er sagte, reinen Tisch gemacht. Die Familie hatte danach die Auflage dort nicht mehr einzukaufen.

Mitte Mai fing ich dann in Hann. Münden an, im Kaufhaus dort in der Gardinen Abteilung. Man stellte mich als Fachverkäuferin für Gardinen ein. Ja auch ohne kaufmännische Ausbildung traute man mir das zu.

Die Gardinenabteilung war einmal über den Bereich der anderen Abteilungen zu erreichen und doch ein kleines Reich für sich, zwei Stufen ging es hoch. Man konnte jedoch auch über die Straßenseite vom Bürgersteig her die kleine Tür nutzen, wenn man nicht das ganze Kaufhaus durchlaufen wollte.

Ich nun, siebzehn Jahre, schüchtern bis zum Geht nicht mehr, kein Selbstvertrauen, ich stand da jetzt also und meine Abteilungsleiterin war nur bis mittags da, den Rest der Zeit musste ich selbst zurecht kommen. In dieser Zeit wurde ich selbstbewusster, in dieser Zeit lernte ich weit aus mehr als ich während meiner Ausbildungszeit hatte lernen können. Mit den Kollegen hatte ich keine Schwierigkeiten, die Vorgesetzten waren nett.

Das Gefühl von frei sein hatte sich in mir breit gemacht. Ich hatte zum ersten Mal nicht nur Pflichten sondern auch Rechte. Das letztere hatte in meiner Ausbildungsstätte nun mal nicht gegolten.

Freitag vom dem 3. Advent wurde hier das Weihnachtsgeld ausgezahlt. Der Geschäftsführer, ein Herr Kolender, ließ die Mitarbeiter einzeln hoch rufen in sein Büro, es gab ein kleines Gespräch, ein Glas Sekt und den Umschlag mit dem Weihnachtsgeld. Dann wurde man verabschiedet und der nächste ausgerufen. Ich war die jüngste Mitarbeiterin und Herr Werner der Personalchef guckte zwischendurch bei mir vorbei und erklärte mir da ich noch nicht so lange dabei bin bekomme ich kein Weihnachtsgeld, sollte allerdings, weil ich fleißig war, dennoch ein Geschenk bekommen.

Das war okay. In meiner Ausbildungszeit hatte es zwar eine Weihnachtsfeier gegeben und jeder hatte auch ein Geschenk bekommen. Kein Geld. Ich hatte damals einen Kosmetikkoffer, der schon lange im Regal stand, ein Ladenhüter sozusagen, der auch leicht verkratzt war zu Weihnachten bekommen. Die Geste zählt. Daher erwartete ich auch nichts.

Ein paar der Kollegen die schon oben gewesen waren tuschelten, auch Michaela die als Raumausstatterin mit zu der Abteilung gehörte, in der ich war. Immer wieder fielen die Blicke auf mich als Herr Werner von Marlene und ein paar anderen Verkäuferinnen einen Geschenkkorb zusammenstellen ließ.

Michaela hatte ihren Umschlag schon und jetzt kam sie wieder nach hinten geschlendert und erzählte mir: „Du weißt schon, wenn du hoch gerufen wirst, dass du ein Gedicht aufsagen musst?“

Ich schaute sie entsetzt an. „Das ist nicht dein Ernst. Dann gehe ich nicht hoch.“

„Oh, oh.“ Sie wiegte den Kopf hin und her. „Das wird nicht gehen, der Herr Kolender legt, wie du weißt, sehr viel Wert darauf zu allen Mitarbeitern ein gutes Verhältnis zu haben. Das willst du doch heute an Nikolaus nicht in Frage stellen.“

Eine Kundin die von diesen Seiteneingang her hereingekommen war, hatte uns aufmerksam zugehört. Und meinte dann zu mir: „Sie haben sicher vergessen wie so ein Weihnachtsgedicht geht.“

„Ich helfe ihnen“, fügte sie hinzu. „Der Bus hat ja anscheinend mal wieder Verspätung da kann ich Ihnen genauso gut auch helfen, die Erinnerung an ein schönes Weihnachtsgedicht wieder hervor zu locken. Passen sie mal auf.“ Sie ging wieder raus, kam wieder rein und deklamierte: „Von drauss vom Walde komm ich her…“

Von drauss’ vom Walde komm ich her;

Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!

Allüberall auf den Tannenspitzen

ah ich goldene Lichtlein sitzen;

Und droben aus dem Himmelstor

Sah mit grossen Augen das Christkind hervor,

Und wie ich so strolcht’ durch den finstern Tann,

Da rief’s mich mit heller Stimme an:

„Knecht Ruprecht“, rief es, „alter Gesell,

Hebe die Beine und spute dich schnell!

Die Kerzen fangen zu brennen an,

Das Himmelstor ist aufgetan,

Alt’ und Junge sollen nun

Von der Jagd des Lebens einmal ruhn;

Und morgen flieg’ ich hinab zur Erden,

Denn es soll wieder Weihnachten werden!

Ich sprach: „O lieber Herr Christ,

Meine Reise fast zu Ende ist;

Ich soll nur noch in diese Stadt,

Wo’s eitel gute Kinder hat.“ –

„Hast denn das Säcklein auch bei dir?“

Ich sprach: „Das Säcklein das ist hier:

Denn Äpfel, Nuss und Mandelkern

Fressen fromme Kinder gern.“ –

„Hast denn die Rute auch bei dir?“

Ich sprach: „Die Rute, die ist hier:

och für die Kinder nur, die schlechten,

Die trifft sie auf den Teil den rechten.“

Christkindlein sprach:„So ist es recht;

So geh mit Gott, mein treuer Knecht!“

Von drauss’ vom Walde komm ich her;

Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!

Nun sprecht, wie ich’s hier innen find’!

Sind’s gute Kind’, sind’s böse Kind’?

(Theodor Storm, 1817-1888, deutscher Schriftsteller)

Das ganze Gedicht.

Es war heute sehr wenig zu tun hier bei mir und so war ich dieser Frau ausgeliefert. Wieder und wieder ging sie raus und trat wieder ein und wieder und wieder sagte sie das Gedicht auf. Michaela hielt sich den Bauch vor Lachen und verzog sich immer mal wieder nach hinten zu dem kleinen Kabüffchen. Ich konnte die Röte richtig spüren die mein Gesicht überzog als sie, diese Kundin, mich aufforderte es aufzusagen. Und bei jedem Fehler verschwand sie Kopfschüttelnd wieder nach draußen trat wieder ein und „Von drauss vom Walde komm ich her“ ertönte.

Michaela verzog sich dann wieder zu den anderen und die sahen diese Aufführung der Frau und wie sie versuchte mich dazu zu bewegen dieses Gedicht fehlerfrei aufzusagen.

Irgendwann kam der Aufruf, dass ich nach oben kommen sollte.

„Los“, sagte Michaela. „Ich halte hier die Stellung.“

Die Kundin versprach auch zu bleiben, denn sie wollte ja wissen, ob ich dass denn dann auch alles gut hinbekommen habe. Die Kollegen waren alle merkwürdig beschäftigt als ich durch die Reihen ging. Ich also durch den Flur die Treppe nach oben. Klopfte an Herrn Kolenders Büro. „Reinkommen“, sagte er. „Ich erwarte sie schon.“

Mein Herz plumpste in dem Moment sonst wohin

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Christa Helling

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